Der Gang in die Nacht

Der Gang in die Nacht

Edition Filmmuseum 97

F. W. Murnaus erste erhaltene Regiearbeit nimmt Motive seiner späteren Meisterwerke vorweg: Wie in Sunrise reißt eine verführerische Frau einen Mann aus seinen geordneten Verhältnissen, der Gegensatz von Stadt und Land wird ausgespielt, und Conrad Veidts stilisierte Darstellung eines Blinden wirkt wie ein Vorläufer von Nosferatu. Die zum größten Teil auf das Kameranegativ zurückgreifende digitale Rekonstruktion zeigt den Film wieder in seiner ursprünglichen visuellen Brillanz. Wie das Kammerspiel Scherben, das ebenfalls auf einem Drehbuch von Carl Mayer basiert, wurde Der Gang in die Nacht als "meisterhaftes Filmwerk" gefeiert, das nicht auf äußerliche Sensationen setzt, sondernseine Spannung mit rein kinematographischen Mitteln entwickelt und auf Zwischentitel weitgehend verzichten kann. Die Doppel-DVD bietet ungewöhnliche Musikbegleitungen für beide Filme.

Die Filme

Der Gang in die Nacht - Deutschland 1920 - Regie: Friedrich Wilhelm Murnau - Drehbuch: Carl Mayer, unter freier Bearbeitung eines Filmszenariums von Harriet Bloch - Kamera: Max Lutze - Darsteller: Olaf Fönss, Erna Morena, Conrad Veidt, Gudrun Bruun Steffensen - Produktion: Goron-Film, Berlin - Uraufführung: 21.1.1921, Berlin

Musik für Murnau - Deutschland 2018 - Drehbuch, Regie und Produktion: Richard Siedhoff - Kamera: Mykyta Sierov - Mit: Burkhard Götze, Jörg Potratz, Richard Siedhoff, Stefan Drößler - Erstveröffentlichung

Scherben - Deutschland 1921 - Regie: Lupu Pick - Drehbuch: Carl Mayer - Kamera: Friedrich Weinmann - Darsteller: Werner Krauß, Hermine Straßmann-Witt, Edith Posca, Paul Otto - Produktion: Rex-Film, Berlin - Uraufführung: 27.5.1921, Berlin

Über Der Gang in die Nacht

Der Film wurde seinerzeit als künstlerisches Experiment gesehen, das den "ersten Versuch der Filmkunst auf einem neuen Gebiete" darstelle (Der Kinematograph Nr. 728 vom 30.1.1921) Bereits nach der Pressevorführung jubelte Willy Haas im Film-Kurier (Nr. 277 vom 14.12.1920): "Wo hört hier die Kunst des Verfassers auf, wo beginnt die des Regisseurs, und wo die der Schauspieler? Man weiß es nicht. Alles ist ineinander gewachsen; alles geht ineinander über. Alles ist, es gibt keinen anderen Ausdruck, vollendet. Das Manuskript hat Carl Mayer verfasst ein Dichterwerk; nichts weniger. Die Technik des Filmes gehorcht ihm auf den Druck einer Fingerspitze. Unglaublich, wie er über Passagen wegeilt, drängend, atemlos, mit zwei Andeutungen. Wundervoll, wie er anderswo wieder zu verweilen weiß, unbesorgt, fast hartnäckig, etwa wenn die Lichter von Autos über den verregneten Asphalt einer dunklen Großstadt gleiten, oder wenn das Meer wühlt, oder wenn blass die Sonne sich auftut: wie er liebend immer noch einmal dasselbe sagt, immer noch einmal in die Handlung hinein: "Zuschauer, das gehört hinein, gehört auch zur Handlung!" Oder, wie er sich irgendeine graziöse Finesse ausdenkt etwa die Szene mit dem schmerzenden Fuß der angeblichen Bäuerin und man spürt diese anmutige Luft der Gestaltungsfreude. Oder, wenn er die Frau ihrem Manne das Geständnis machen lässt, dass sie einen anderen liebt: Drei Worte, und sie beugt sich über seine Hand nichts mehr. Das alles ist unvergesslich; das alles ist so einfach und so unerklärlich wie das Leben, so zufällig und so restlos überzeugend wie das Schicksal."

Laut Lotte Eisner entdeckte Henri Langlois bei einem Besuch im Staatlichen Filmarchiv der DDR Dosen mit dem Nitronegativ des nach 1945 verloren geglaubten Films und veranlasste die Herstellung einer Positivkopie. Allerdings war das Negativ nicht vollständig: Es fehlten alle Titel und zudem die dritte Rolle. So ist der Film seit den 1960er Jahren nur in verstümmelter Form gezeigt worden. Doch bevor das Nitronegativ in die DDR verschickt worden war, hatte Gosfilmofond in Moskau es umkopiert. Und zu diesem Zeitpunkt war die fehlende Rolle noch erhalten. Für die neue digitale Rekonstruktion stand das Originalnegativ, das sich nun im Besitz des Bundesarchivs befindet, ebenso zur Verfügung wie eine Positivkopie von Gosfilmofond und Murnaus Drehbuch. Durch intensives Studium der verschiedenen Materialien und unter Hinzuziehung aller greifbaren zeitgenössischen Rezensionen konnten kleinere Montagefehler und der Wortlaut einiger Zwischentitel korrigiert sowie einige bislang übersehene Inserts und Zwischentitel ergänzt werden. Die Einfärbung der Szenen und die Schrifttype der Titel orientieren sich an den Konventionen der Zeit. "The Munich Film Museum's team has created one of the most beautiful editions of a silent film I've ever seen. You look at these shots and realize that most versions of silent films are deeply unfaithful to what early audiences saw. In those days, the camera negative was usually the printing negative, so what was recorded got onto the screen. The new Munich restoration allows you to see everything in the frame, with a marvelous translucence and density of detail. Forget High Frame Rate: This is hypnotic, immersive cinema." (David Bordwell)

Stefan Drößler

DVD-Features

DVD 1

  • Der Gang in die Nacht 1920, 81'
  • Orchestermusikbegleitung von Richard Siedhoff, eingespielt vom Metopolis-Orchester Berlin unter Leitung von Burkhard Götze
  • Live-Mitschnitt einer Klavierbegleitung von Richard Siedhoff
  • Musik für Murnau 2018, 30'

DVD 2

  • Scherben 1921, 66'
  • Live-Mitschnitt einer Musikbegleitung von Christian Roderburg und dem Filmmusik-Ensemble der Musikhochschule in Wuppertal
  • 20-seitiges dreisprachiges Booklet mit Essays von Stefan Drößler, Werner Sudendorf, Anton Kaes, Richard Siedhoff und Louis Delluc

Herausgeber: Filmmuseum München und Goethe-Institut München
DVD-Authoring: Gunther Bittmann, Tobias Dressel
DVD-Supervision: Stefan Drößler

1. Auflage Dezember 2018, 2. Auflage September 2019

Besprechungen

TV-Format Originalformat Tonformat Sprache Untertitel RegionalcodeFSK
16:9 (PAL)
4:3 (PAL)
1,33:1
1,78:1
Musikbegleitung
Dolby Digital 2.0
(Stereo)
Deutsche Zwischentitel
Deutsch
Französisch
Englisch
0
Alle Regionen
Lehrprogramm

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