Materialfilme 1968-76

Materialfilme 1968-76

Edition Filmmuseum 54

"Es geht nicht um den Film als Träger von außerfilmischen Ausagen": Wilhelm und Birgit Hein untersuchen in ihren Filmen die Reproduktionsprozesse und die Materialität des Films. In Rohfilm wird das geläufige "Filmbild" zerstört, und der Film wirkt wie ein "visuelles Bombardement" (Stephen Dwoskin) von Fetzen, Fragmenten, Schmutz und Schnittresten. In Reproductions werden Reisefotos in Grautöne aufgelöst und durch das Filmbild gerückt. 625 wird ein aufgelöstes Fernsehbild mit wechselnder Schäfe und Geschwindigkeit abgefilmt und ins Negativ gewandelt. Portraits untersucht die Möglichkeiten, abgefilmte Fotos und Filmaufnahmen durch den Entwicklungs- und Kopierprozess zu verändern. Materialfilme besteht aus Startbändern und Filmallongen, den Elementen eines jeden Films, die normalerweise nicht projiziert werden. W+B Heins klassische Undergroundfilme befreien den Film aus seiner Funktion, Bilder und Geschichten zu transportieren. Sie geben eine Ahnung davon, welche ungenutzten anderen Möglichkeiten das Material Film bietet, das in der digitalen Welt zu verschwinden droht.

Die Filme

Rohfilm - BRD 1968 - Von Wilhelm + Birgit Hein - Ton: Christian Michels - 16mm, schwarzweiß

Reproductions - BRD 1968 - Von Wilhelm + Birgit Hein - Ton: Christian Michels - 16mm, schwarzweiß

625 - BRD 1969 - Von Wilhelm + Birgit Hein - Ton: Christian Michels - 16mm, schwarzweiß

Portraits - BRD 1970 - Von Wilhelm + Birgit Hein - Ton: Christian Michels - 16mm, schwarzweiß

Materialfilme - BRD 1976 - Von Wilhelm + Birgit Hein - 16mm, schwarzweiß

Über Materialfilme

In ihren 35mm-Materialfilmen (1976) klebten die Heins wahllos einen Mix aus Farb- und Schwarzweißmaterial aus den Start- und Endbändern kommerzieller Filme aneinander. Die Kratzer, Kritzeleien, handgeschriebenen und maschinell eingestanzten Nummern und Punkte, die solches Material schmücken, rauschem vor dem Auge vorbei, bevor sie von Bildern ersetzt werden, die nur aus ausgewaschenen Farben oder zerkratzten schwarzen oder weißen Kadern bestehen. Dieses Material haben die Heins in ihren Jahren des Filmprogrammierens und -Vorführens bei verschiedenen Aufführungen von Avantgarde- und kommerziellen Filmen erworben. In den 1960er und 1970er Jahren wurde oft Farbe auf die Start- und Endbänder kommerzieller Filme gemalt, um dem Vorführer das Sortieren der einzelnen Filmrollen zu erleichtern. Über die Jahre sind die Wasserfarben ausgeblichen und abgeplatzt und unterschiedliche Flecken, Kratzer und andere Unregelmäßigkeiten haben die Oberfläche des Filmstreifens zerfurcht. In der Projektion treten diese Flecken auf dem Material in eine willkürliche rhythmische Beziehung zur Bewegung der Farbe und den einbrechenden Blitzen weißen Lichts. Materialfilme bietet somit eine intensive visuelle Sinfonie aus den Oberflächen, der sichtbaren (durch die Wasserfarben unterstrichenen) Flüssigkeit und den Farben, die die normalerweise übersehenen oder ungesehenen Anfänge und Enden von Filmen prägen.

Während Materialfilme die immens produktive zehnjährige Periode materiellen Filmemachens der Heins abschließt, stellt die vorliegende digitale Reproduktion der fünf wichtigen und zu wenig bekannten Filme einen Neuanfang dar. Die Verfügbarkeit dieser Filme auf DVD garantiert selbstverständlich, dass das Wissen um die bedeutenden künstlerischen Leistungen der Heins einem breiteren Publikum leichter zugänglich werden. Darüber hinaus gibt die digitale Reproduktion die Filme den Leuten buchstäblich in die Hand, um sie in unterschiedlichen Kontexten aufzuführen und mit verschiedenen Tonspuren zu unterlegen. In diesem Geist bietet die DVD eine Auswahl an Soundtracks an, die speziell als Begleitung zu Materialfilme (1976) komponiert wurden.

Abschließend lohnt es, noch einmal das beständige Interesse der Heins während und nach der Zeit ihrer Zusammenarbeit an ästhetischen und Wahrnehmungseffekten hervorzuheben, die durch analoge oder digitale Prozesse der Reproduktion auf das Original einwirken. Gemeinsam mit ihrer filmischen Installation "Filmraum" im Luzerner Museum im Mai 1970 hat Christian Michelis beispielsweise eine Aktion durchgeführt, die eine der Möglichkeiten zeitgenössischer Digitaltechnik vorwegnimmt, die diese DVD bietet. Ich möchte diesen Text schließen, indem ich einfach aus Michelis' Beschreibung von "Aktion Film und Ton" zitiere: "Die Veränderbarkeit der Wirkung des Films durch wahlweise Kombination mit verschiedenen Tonfassungen. In dem Aktionsraum laufen während der Projektion eines Films mehrere Tonbänder mit verschiedenen Tonfassungen gleichzeitig ab. Das Publikum kann durch Bedienung eines Mischpultes einzelne Fassungen auswählen und für beliebige Zeit dem Film gegenüberstellen."

Marc Siegel


DVD-Features

  • Rohfilm 1968, 20'
  • Reproductions 1968, 28'
  • 625 1969, 34'
  • Portraits 1970, 15'
  • Materialfilme 1976, 35'
  • Alternative Musikbegleitungen von Tim & John Blue, Sister Iodine, Starving Weirdos, Roel Meelkop
  • 20-seitiges Booklet mit Texten von Marc Siegel und Florian Cramer

Herausgeber: Filmmuseum München, Goethe-Institut München
DVD-Authoring: Ralph Schermbach
DVD-Supervision: Stefan Drössler

1. Auflage Oktober 2012

TV-Format Originalformat Tonformat Sprache Untertitel RegionalcodeFSK
4:3 (PAL)
1,37:1
Dolby Digital 2.0
(mono)
keine Dialoge
keine
0
Alle Regionen
Lehrprogramm

Bestellung

Versandfertig in 48 Stunden
Preis: 19,95 EUR (inkl. 19% USt., zzgl. Versand)